Interview mit Putzer Thomas

Interview mit Putzer Thomas, Didaktischer Systembetreuer und Koordinator für Digitale Medien an der Mittelschule Neumarkt

SE: Die Mittelschule Neumarkt setzt ja seit dem vergangenen Schuljahr auf Chromebooks und die Lernplattform “Google for Education”. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

PT: Wir probieren schon seit einigen Jahren verschiedene Ansätze im Bereich der Digitalen Medien aus, um Kinder und Lehrpersonen bei der Bewältigung der wachsenden schulischen Herausforderungen zu unterstützen. Allerdings beschränkten sich diese Aktionen stets auf kleinere Projekte.

Als nun am 05/03/2020 die Schulen geschlossen wurden und sich die meisten wohl noch auf eine Woche “Corona-Ferien” freuten, war der AG Digitale Medien mit Blick auf China sofort klar, dass dieser Zustand länger anhalten würde und eine Alternative zum Digitalen Register geschaffen werden musste. Nicht falsch verstehen, das Digitale Register ist ein hervorragendes Produkt für die Einsatzzwecke, für welche es konzipiert wurde. Fernunterricht gehört allerdings nicht dazu.

Das Bildungsministerium veröffentlichte eine Liste mit empfohlener Software, auf welcher auch “Google for Education” stand, wofür wir uns nach eingehender Recherche schließlich entschlossen. Ausschlaggebend war unter anderem, dass die Software für Schulen kostenlos ist und im Gegensatz zu Microsoft Teams mehr Freiheiten auf Verwaltungsebene bietet. Bereits wenige Tage später war unsere Schule akkreditiert und wir konnten starten.

Was ist „Google for Education

Google for Education ist eine Sammlung von webbasierten Diensten, welche von Schulen kostenlos genutzt werden kann.

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Sie umfasst klassische Office-Anwendungen wie Dokumente, Tabellen und Präsentationen als auch Apps für die Erstellung von Formularen und Websites. Für alle Dokumenttypen wird dabei eine vollständige Versionsgeschichte aufgezeichnet.

Auch ein Mailprogramm, ein Kalender, eine App für Videokonferenzen sowie ein virtuelles Whiteboard sind neben einer Reihe weiterer Apps im Umfang enthalten. Alle Daten werden dabei im Clouddienst Google Drive gespeichert.

Die zentrale App ist Google Classroom, in welcher die Dateien komfortabel verwaltet werden und die Lehrpersonen mit den Kindern sowie die Kinder untereinander unkompliziert in Kontakt treten können.

Wie wurde diese Entscheidung vom Lehrerkollegium und den Familien aufgenommen?

Erwartungsgemäß wurde uns zunächst mit sehr viel Skepsis und Unsicherheit begegnet. Aber trotz aller Bedenken, mit denen wir bombardiert wurden, ließen wir uns vom eingeschlagenen Weg nicht abbringen. Dass später in anderen Schulen das Digitale Register unter der Datenlast zusammenbrach oder ein unüberschaubares Chaos beim Versuch entstand, den Fernunterricht über Mail oder Blog abzuwickeln, sollte uns Recht geben.

In unzähligen persönlichen Gesprächen gelang es uns schließlich, die Unsicherheiten auszuräumen und somit die Schulung aller Beteiligten einleiten zu können.

Zu diesem Zeitpunkt durfte ja bereits niemand mehr an die Schule kommen. Gab es einen Plan, wie die Schulung aus der Ferne erfolgen sollte?

Überhaupt nicht! Meine Kollegen Buraschi Samuel und Teutsch Andreas sowie ich waren quasi rund um die Uhr in Verbindung und überlegten uns, wie wir auf die sich ständig ändernden Anforderungen reagieren sollten. Dazu haben wir eine eigene Schulungs-Homepage aus dem Boden gestampft, einen Youtube-Kanal eingerichtet und anschließend Erklärvideos erstellt, am Telefon gecoacht, über Remote Control Installationen durchgeführt und später über Videokonferenzen Gruppenmeetings abgehalten. Es war sehr fordernd, gleichzeitig hat es aber auch Riesenspaß gemacht. Es herrschte eine Art Goldgräberstimmung, weil wir enorme Freiheiten hatten und unser eigenes Ding machen konnten, obwohl wir keinerlei Erfahrung hatten. Hinterher muss man sagen, waren wir schon etwas verrückt. lacht

Wir hoffen alle, dass die Zeit des Fernunterrichts bald vorbei sein wird. Wie soll das erworbene Wissen in Zukunft genutzt werden?

Wir haben ja für Neumarkt und Salurn einige Klassensätze an Chromebooks erworben. Diese können von den Lehrpersonen ausgeliehen werden, um sie im Unterricht einzusetzen. Dabei möchte ich betonen, dass wir nicht analoge durch digitale Unterrichtsmethoden ersetzen möchten, sondern dass diese zwei Methoden sich gegenseitig ergänzen sollen.

Was sind Chromebooks?

Chromebooks sind äußerlich kaum von den bekannten Notebooks zu unterscheiden. Dies ändert sich aber, sobald die Geräte eingeschaltet werden.

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Da die Chromebooks kein aufgeblähtes Windows oder macOS, sondern das mit Android verwandte Chrome OS als Betriebssystem verwenden, sind sie maximal zehn Sekunden nach dem Einschalten bereit zum Arbeiten.

Es können also keine Windows-Programme installiert werden, dafür hat man aber Zugriff auf alle Apps im Play Store, welche bereits vom Smartphone her bekannt sind.

Einige Apps wurden auch für Chromebooks optimiert. Updates erfolgen automatisch. Dadurch sind Chromebooks schnell, sicher und einfach zu bedienen. Mittlerweile ist der Großteil der bekannten Anwendungen als App-Version verfügbar, so auch Photoshop, Outlook oder Skype.

Die Geräte verfügen auch über eine kleine Festplatte, sind aber grundsätzlich für das Arbeiten in der Cloud konzipiert.

Beispielsweise werden Dokumente, welche mit Google Docs erstellt werden, automatisch und kontinuierlich in Google Drive gespeichert.

So kann von jedem internetfähigen Gerät darauf zugegriffen werden und es gibt keine Probleme mehr mit Datenverlust.

Sollte temporär keine WLAN-Verbindung bestehen, so kann auch offline gearbeitet werden und bei einer erneuten Online-Verbindung werden die Daten automatisch synchronisiert.

Sogar aktuelle Spiele wie Red Dead Redemption II können dank Google Stadia flüssig gespielt werden.

Hierbei werden alle Rechenoperationen der Spiele in Google-Rechenzentren getätigt und dort in ein audiovisuelles Signal umgewandelt, welches über den Browser Google Chrome zurückgemeldet wird.

Im Gegensatz zu einem PC ist ein Chromebook also keine autonome Arbeitsstation, sondern eher mit einem Terminal zu vergleichen.

Von Vorteil ist sicher, dass die Dateien über das Internet aufrufbar sind und somit keine Unterrichtsmaterialien zu Hause vergessen werden und auch keine USB-Sticks mehr nötig sind. Der jeweilige Anteil bei Gruppenarbeiten ist nachvollziehbarer und es können vermehrt Digitale Medien für den Unterricht genutzt werden, z.B. virtuelle Rundgänge durch Museen oder Städte. Durch digitale Hilfsmittel wird individualisierter und inklusiver Unterricht unterstützt, z.B. können sich Kinder mit Sehbehinderung Texte vorlesen oder Kinder mit geringen Sprachkenntnissen Texte übersetzen lassen. Mit Hilfe von Videos können Inhalte wiederholt oder weiterführende Kenntnisse vermittelt werden. Spezielle Software erkennt die Schwächen eines Kindes und kann passende Aufgaben erstellen.

Weiters setzen wir eine Reihe von Apps ein, um beispielsweise kooperative Unterrichtsformen umzusetzen.

Im Unterricht genutzte Apps

Google Classroom zum Verwalten von Dokumenten und Aufgaben sowie zur Kommunikation zwischen LP uns SuS

Google Meet für Videokonferenzen

Google Docs zum Erstellen von Texten, auch paralleles Bearbeiten durch mehrere Personen möglich

Google Präsentationen zum Erstellen von Präsentationen, auch paralleles Bearbeiten durch mehrere Personen möglich

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Google Tabellen für Berechnungen, z.B. Statistik, auch paralleles Bearbeiten durch mehrere Personen möglich

Google Formulare zum erstellen von Quizaufgaben oder von Umfragen (auch durch SuS)

Jamboard für Brainstorming und als digitale Tafel

Flipgrid damit die Kinder Videoantworten von bis zu fünf Minuten Länge auf gestellte Aufgaben hochladen können, geeignet z.B. für Buchvorstellungen oder Sportübungen vorzuturnen

PowToon zum Erstellen animierter Präsentationen und animierter Erklärvideos

Mindmeister zum Erstellen von Mindmaps

Book Creator um auf einfache Weise ein Buch zu schreiben oder ein Tagebuch zu führen

Also wunschlos glücklich?

Ganz so ist es auch nicht. Beispielsweise bin ich nicht begeistert davon, dass Google in den USA sitzt, da ich selbstverständlich lieber einem einheimischen Anbieter mein Vertrauen schenken würde. Leider gibt es in ganz Europa keine Einrichtung, welche ein vergleichbares Produkt anbietet und dessen Betrieb auch langfristig gewährleistet ist. In diesem Bereich haben uns die Amerikaner leider weit abgehängt. Auch bei den Chromebooks sind wir auf asiatische Hersteller angewiesen.

Aber wer weiß, vielleicht wird gerade an unserer Schule ein Kind dazu inspiriert, hier etwas entsprechendes auf die Beine zu stellen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gerne.

Das Interview führte Spitaler Elke

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